Das Erfordernis /der Umfang der Deklaration von VOCs in Bauprodukten steht aktuell sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene in der Diskussion. Da das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) am 31.8.2017 die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen veröffentlicht hat (sog. MVV TB, https://www.dibt.de/de/DIBt/Neues-aus-dem-DIBt.html ), möchten wir Sie zur Vermeidung von Irritationen kurz über die Auswirkungen und den Stand der Verbandsbefassung informieren:

Wie Ihnen bekannt ist, sind das Überwachungszeichen und die CE-Kennzeichnung seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Ergänzung der Bauprodukteverordnung in Deutschland ein intensiver Diskussionspunkt. Das betrifft aktuell den Bereich des Glimmverhaltens und des Gesundheitsschutzes: Obwohl europäische Normen in diesem Bereich bestehen (EN 13501, die um den Test zur Beurteilung des Glimmverhaltens ergänzt werden müsste) bzw. in Entstehung befindlich sind (delegierter Rechtsakt zum VOC-Klassensystem), geht das DIBt einen nationalen Sonderweg. Wir halten diesen Sonderweg, das sei vorweggenommen, für unzulässig:

Zur Klarstellung möchten wir eines vorwegschicken: Alle uns vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen, dass natürliche VOC-Emissionen aus Holz und Holzwerkstoffen gesundheitlich unbedenklich sind. Die Forschung ist auch weiterhin in verschiedenen Vorhaben mit dem Thema befasst, bislang sind uns keine anderslautenden Hinweise bekannt geworden. Das Umweltbundesamt (UBA) verbreitet aktuell dennoch Publikationen zum Thema „Innenraumluft“ und weist auf angebliche Schutzlücken in der europäischen Rechtslage hin (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/gute-luft-in-innenraeumen-in-gefahr).

Im Zusammenhang mit dem Glimm- und Brennverhalten, das bislang europäisch nicht harmonisiert ist, haben Deutschland und die europäische Kommission einen Kompromiss vereinbart (vgl. dazu die aktualisierten FAQ des BMUB: http://www.bmub.bund.de/service/buergerforum/haeufige-fragen-faq/faq-detailansicht/?no_cache=1&tx_irfaq_pi1%5Bcat%5D=68). Dies war Anlass für das DIBt, die MVV TB kurzfristig zu veröffentlichen.

In das Anhörungsverfahren zur MVV TB hatte sich der VHI zusammen mit anderen Verbänden der Holzwirtschaft eingebracht. Unseren Einwendungen wurde allerdings nicht stattgegeben, vielmehr sind auch die Anforderungen an bauliche Anlagen bezüglich des Gesundheitsschutzes (ABG, Anhang 8) Bestandteil der veröffentlichten MVV TB: In den ABG werden die Gesundheits- und Hygieneanforderungen an bauliche Anlagen in Bezug auf die Innenraumluft festgelegt. Angesichts des Emissionsverhaltens von Bauprodukten finden die AGB inklusive des Ausweises von TVOC daher auch auf diese Anwendung. Wir haben uns mit anderen Verbänden am 17.8.2017 zusammengefunden und die Rechtswirkungen der MVV TB diskutiert. Wir möchten Ihnen unsere derzeitige gemeinsame Rechtsauffassung wie folgt mitteilen:

  • Wir halten die Einführung der AGB aus europarechtlichen Gründen für unzulässig, da national keine zusätzlichen Anforderungen an europarechtlich harmonisierte Bauprodukte gestellt werden dürfen.
  • Die veröffentlichte MVV TB entfaltet unabhängig von dieser Europarechtswidrigkeit unserer Auffassung nach auch aus systematischen Gründen keine unmittelbare Rechtswirkung: Rechtlich verbindlich sind die AGB erst, wenn die MVV TB durch die Bauordnungen der Länder in Bezug genommen werden. Die Veröffentlichung der MVV TB auf der Homepage des DIBt reicht also nicht aus, um diese Regelung verbindlich zu machen.
  • Die für eine Rechtsverbindlichkeit erforderliche Anpassung der jeweiligen landesrechtlichen Bauordnungen ist nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis zunächst in Sachsen-Anhalt und in Nordrhein-Westfalen zu erwarten, andere Bundesländer dürften nachziehen.

Wir hatten mit anderen Verbänden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Veröffentlichung zu verhindern. Erst letzte Woche hat der Landwirtschaftsminister, auf unser Bestreben hin, die Umweltministerin persönlich angeschrieben und um Eingreifen gebeten. Es war vergebens, das DIBt hat die MVV TB veröffentlicht, ohne die nächste Bauministerkonferenz im November abzuwarten. Die Länder bereiten wohl die jeweilige Anpassung der Bauordnungen / die Veröffentlichung der VVTB vor. Dabei sind Abweichungen von der MVV TB möglich, aber nicht zwingend. Wir haben mit den anderen Verbänden vereinbart, juristische, politische und wissenschaftliche Optionen in Bezug auf die AGB zu verfolgen und die vorstehenden Fragen einer rechtsverbindlichen Klärung zuzuführen. Wir werden Sie entsprechend des fortschreitenden Erkenntnisstandes weiter informieren.

Auf europäischer Ebene wird parallel das VOC Class Declaration Format (CDF) im sog. „Delegated Act on the classification of performance of construction products in relation to their emissions of volatile organic compounds into indoor air“ (basierend auf der Bauproduktenverordnung) diskutiert. Der letzte hierzu vorliegende Entwurf verzichtet auf eine Ausweisung von TVOC-Klassen (dies wäre gerade für Holzwerkstoffe fachlich unserer Auffassung nach eine unberechtigte Auflage) und wurde daher seitens der Branche begrüßt. Nach einer Expertensitzung am 7.9.2017 ist ein baldiger Abschluss des Verfahrens auf Ebene der Kommission zu erwarten. Im anschließenden Ministerrats- und Parlamentsverfahrens werden wir uns – auch über die europäischen Verbände – einbringen, damit der Entwurf unverändert bleibt.