„Die Zukunft beginnt hier“ lautet das Versprechen der Messe interzum für Zulieferer der Möbelindustrie und des Innenausbaus. Das erste Highlight dieser Zukunftsschau setzte bereits am 15. Mai, am Vortag der Messeeröffnung, der Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e.V. (VHI). In Kooperation mit dem Institut für Holztechnologie (IHD) und dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung (WKI) bot er mit dem 6. Innovationsworkshop Holzwerkstoffe 2017 rund 100 Teilnehmern Einblicke in ambitionierte Forschungsvorhaben und Ausblicke auf faszinierende Anwendungen. Gleichzeitig nutzte der VHI wie alle zwei Jahre die Gelegenheit, über die Lage der Branche zu informieren und sich mit politischen Forderungen zu positionieren.
Die einführenden Vorträge zeichneten zum einen aktuelle ökonomische und rechtliche Herausforderungen für die Unternehmen nach und zeigten zum anderen zukünftige Potenziale von Holzwerkstoffen vor allem im Fahrzeug- und Möbelbau auf. Die nachfolgenden Tagungsblöcke widmeten sich gezielt den Aspekten „Oberfläche“, „Verfahrensoptimierung“ und „Werkstofftrends“. Das abschließende Plenumsgespräch stellte die im Tagesverlauf vorgebrachten Thesen noch einmal zur Diskussion und stellte sie über ein Televoting zur Abstimmung.
Branchentrends im Überblick
Der 6. Innovationsworkshops bot einen umfassenden Blick auf die aktuell für die Holzwerkstoffindustrie relevanten Forschungsvorhaben und Trends. Im Televoting wurden die wichtigsten Thesen gemeinsam reflektiert und bewertet.
Bei den Innovationen im Bereich der Span- und Faserplatten sind die differenzierten Anforderungen der Möbelindustrie, etwa in Bezug auf leichtere Platten, und die Trends zu haptischen, authentischen Oberflächen treibende Faktoren. Bei den Dekoren gewinnen neben mit Melamin imprägnierten Papieren auch andere Oberflächenmaterialien mit einem „natürlichen“ Habitus an Bedeutung. Viele Workshopteilnehmer teilten diese Einschätzung.
Bei der Herstellung von Holz-Polymer-Werkstoffen (eng.: Wood Polymer Composites; WPC) wird der Trend beobachtet, durch neue Beschichtungstechniken die optische und technische Attraktivität des Werkstoffs zu erhöhen. Der Einschätzung, dass WPC in wenigen Jahren für Fensterrahmen und weitere hochwertige Bauprodukte verwendet wird, stimmten 52 Prozent der Teilnehmer voll oder teilweise zu.
Bei der Sperrholzherstellung eröffnet die Technologie der Lamellierung bis 2030 zahlreiche neue Anwendungsbereiche im Bauwesen und im Fahrzeugbau. Diese These stützten 77 Prozent der Teilnehmer (davon 27 % ohne Vorbehalte).
Bei perspektivisch zu erwartender Verknappung der Holzrohstoffe sehen die Experten der Holzwerkstoffindustrie große Chancen, durch ordnungspolitische Maßnahmen (wie die Gewerbeabfallverordnung) geeignete Altholzqualitäten für die Holzwerkstoffindustrie zu mobilisieren: Insgesamt 70 % der Workshopteilnehmer stimmten dem voll oder teilweise zu.
Die wirtschaftliche Stimmung der Holzwerkstoffindustrie ist positiv
Traditionell nutzte der VHI den Innovationsworkshop Holzwerkstoffe, um am Rande des Fachprogramms interessierten Journalisten und anderen Multiplikatoren in Form eines Pressegesprächs Rede und Antwort zu stehen. Vorstand, Geschäftsführung und Fachgruppen-Vorsitzende zogen dabei Bilanz für 2015/16 und benannten Aufgaben- und Entwicklungsfelder für die kommenden Monate und Jahre.
Der Vorsitzende des VHI-Vorstandes Hubertus Flötotto (Sauerländer Spanplatten) und VHI-Geschäftsführer Dr. Peter Sauerwein beschrieben die Rahmenbedingungen für die 60 Mitgliedsunternehmen aus der Holzwerkstoff- und Innentürenindustrie als „erfreulich“. Als Belege führten sie die positive Baukonjunktur, die stabile Exportentwicklung in der deutschen Möbelindustrie, eine freundliche Konsumstimmung bei Modernisierern und die mit ihr ansteigende Anschaffungsneigung ins Feld.
Die kontinuierliche Nachfrage spiegele sich in den Verkaufszahlen des Holzhandels wider: Der Zuwachs der Kernsortimente lag zwischen 2 und gut 4 Prozent (Holzwerkstoffe +2,2 %, Gartenholz +4,6 %, Türen +3,4 %). Dr. Sauerwein erläuterte: „Etwa 30 Prozent des gesamten Umsatzes erzielt der Holzhandel mit Holzwerkstoffen, knapp 10 Prozent mit dem Gartenholzsortiment.“
Als Vorsitzender der Fachgruppe Span- und Faserplatten nahm Dr. Steffen Körner (Sonae Arauco) den Produktionszuwachs bei Spanplatten um 1,6 Prozent erfreut zur Kenntnis. Er nahm das Pressegespräch zum Anlass, auf eine „völlige Unterbewertung in der Wahrnehmung der Spanplatte“ hinzuweisen. Die Spanplatte entspricht dem aktuellen neo-ökologischen Lebenstrend, erfülle die politischen Wünsche nach Klimaschutz, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Sie trage zudem große soziale Verantwortung, weil sie einem weiten Teil der Bevölkerung überhaupt erst Zugang zu modernen Möbeln ermögliche.
Um eine Dezimalstelle mehr, also um 16 Prozent, nahm die OSB-Produktion unter den Vorzeichen der dynamischen Baukonjunktur 2016 zu. Gerade hinsichtlich des Trends zum Leichtbau spielt die OSB-Platte bei der Nachverdichtung der Städte eine wichtige Rolle.
Die Produktion von Faserplatten stieg 2016 um 2,3 Prozent. Hingegen zeigte sich die Laminatproduktion leicht rückläufig, bedingt durch Substitutionsprodukte um 3,1 Prozent. „Die Welt der Bodenbeläge diversifiziert sich“, so Dr. Körner.
Markus Büscher (Blomberger Holzindustrie), Vorsitzender der Fachgruppe Sperrholz, bezeichnete den Absatz von Sperrholz als „relativ konstant“. Interessanter als Kubikmeterzahlen sind für die nur noch wenigen Hersteller die Positionierung im Markt als hochqualifizierte Entwickler von innovativen Problemlösungen und als integrierte Nischenanbieter (Brandschutz; Formteile für die Möbelindustrie; Anwendungen im Karosseriebau u.ä.).
Türblätter gingen mit einem Plus von 5,9 Prozent oder 400.000 Stück aus dem Jahr 2016 heraus. Auf den Einfamilienhausbau entfielen dabei nur noch unter 30 Prozent, erklärte Wolfgang Grauthoff (Grauthoff Türengruppe), Vorsitzender der Fachgruppe Innentüren. „An die Stelle des Endverbrauchers treten mehr und mehr Bauträger und Investoren“, so Grauthoff. Der Trend geht derzeit hin zu pflegeleichten, haltbaren Kunststoffbeschichtungen (z.B. Continuous Pressure Laminate; CPL) – zunehmend in Purweiß (Lackton RAL 9016 statt RAL 9010). Im Rahmen des Branchenmarketings (Initiative „Türen wechseln jetzt!“ mit dem Portal tuerenwechsel.de) wird die Fachgruppe 2017/18 unter anderem das Thema „Einbruchsicherung“ besetzen.
Der Vorsitzende der Fachgruppe Holz-Polymer-Werkstoffe Horst Walther (NATURinFORM) zeigte sich mit einem Zugewinn von 4,1 Prozent bei WPC im Jahr 2016 zufrieden. Das stabile Wachstum zeigt, dass sich WPC-Terrassendielen nun im Handel etabliert haben, sie nehmen – zulasten von Tropenholz – schon einen Anteil von 20 Prozent ein. Weitere Einsatzfelder sind aktuell vorrangig im Bereich Fassaden, Sicht- und Schallschutz, aber auch Spezialanwendungen wie beispielsweise Sportplatzböden. In diesem Zusammenhang erforschen die Hersteller auch neue Materialmischungen.
Abschließend thematisierten VHI-Geschäftsführer Dr. Sauerwein und seine designierte Nachfolgerin Anemon Strohmeyer (ab 1. Juni) politische Entwicklungen und Forderungen des inzwischen in Berlin ansässigen VHI.
Mit Blick auf die Zukunft begrüßte der VHI die politisch initiierte Neuauflage der „Charta für Holz“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Eine wesentliche Stellschaube zur Förderung des Holzbaus sei etwa der Abbau der Hemmnisse in den Landesbauordnungen, vor allem im Hinblick auf die baurechtlichen Restriktionen beim mehrgeschossigen Holzbau. Nur so könne der Kommunal- und Mehrfamilienwohnbau weiter erschlossen werden.
Die inzwischen „ökonomisch und ökologisch als das richtige Instrument anerkannte Kaskadennutzung“ (Strohmeyer) muss nach VHI-Überzeugung jetzt in die konkrete Umsetzung gehen. Strohmeyer führte unter anderem aus: „Geeignete Maßnahmen können Produktinnovationen sein, etwa in Richtung Laub- oder Altholzeinsatz oder der Wiederverwendung von Vollholzsortimenten. Die Maßnahmen können auch regulativ sein, etwa das Beseitigen von Hemmnissen, das Schaffen von Marktanreizen oder ordnungspolitische Richtungsentscheidungen. Ein Maßnahmenmix bringt den größten Effekt.“