Gute Rahmenbedingungen und hohe Innovationskraft der Holzwerkstoffindustrie

Noch bevor die interzum-Messe für Möbelfertigung und Innenausbau ihre Tore öffnete, gewährte die deutsche Holzwerkstoffindustrie exklusive Blicke auf die Geschäftsaussichten und die Innovationskraft der Branche. Der Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e.V. (VHI) lud gemeinsam mit dem Institut für Holztechnologie (IHD, Dresden) und dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung (WKI, Braunschweig) zum 5. Innovationsworkshop Holzwerkstoffe 2015 nach Köln ein.

Rund 150 Fachbesucher nutzten am 4. Mai 2015 die Chance für ein intensives Wissens-Update. Dabei blieben sie nicht passive Zuhörer, sondern konnten die im Tagesverlauf vorgebrachten Thesen im abschließenden Plenumsgespräch persönlich kommentieren und über ein Tele-Voting gewichten.

Bereits die einführenden Vorträge zeigten mit „Möbelfertigung heute und morgen“ und „Bio-inspirierte Materialien“ revolutionäre Zukunftsentwicklungen im Kaufverhalten, im Zulieferer-Verständnis, in der Produktion und speziell bei den Möglichkeiten, Holz und Holzwerkstoffe noch funktionsgerechter im Möbelbau einzusetzen, auf.

interzum_15_020_039_kompr.

Hubertus Flötotto, Vorsitzender des VHI und Dr. Peter Sauerwein, Geschäftsführer des VHI (v.l.n.r)

Werkstofftrends von Morgen

Spannend blieb es im Vortragsblock „Werkstofftrends“. Hier wurde als Neuheit unter anderem eine Schall absorbierende, schwer entflammbare Spanplatte vorgestellt. Gegenüber Strohspanplatten und Faserstoffen aus Biogärreststoffen blieben jedoch zwei Drittel der Workshop-Besucher skeptisch: Plattenwerkstoffe aus Einjahrespflanzen und biogenen Reststoffen werden ihrer Meinung nach auch in zehn Jahren noch keinen Markanteil von über zehn Prozent aufweisen. Bei Holz-Polymer-Werkstoffen (WPC) sahen die Fachleute – trotz weiterhin guter Wachstumsaussichten im Gartenmarkt – Akzeptanzgrenzen im Möbelbereich. Nur ein Drittel konnte sich Möbel aus Werkstoffen mit hohen Polymeranteilen als Mainstream-Produkte vorstellen.

 

5. Innovationsworkshop Holzwerkstoffe 2015 Konrad Adenauer Saal

Die Workshop-Teilnehmer diskutieren mit

Verfahrensoptimierung und Oberflächeninnovationen

Unter dem Oberthema „Verfahrensoptimierung“ ging es zunächst um Formaldehyd. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer erwartet, dass 2025 der Einsatz von formaldehydhaltigen Klebstoffen verboten sein wird und die bisherigen Klebstoffsysteme formaldehydfreien gewichen sind. Einige Experten zweifeln jedoch daran, dass in 10 Jahren gleichwertige Alternativen zur Verfügung stehen werden. Danach wurden die guten Marktchancen von leichten Möbelplatten thematisiert, während diese für das Holzschweißen und das 3D-Drucken von Möbeln (individuell durch den Kunden) tendenziell herabgestuft wurden.

Bei dem Schwerpunkt „Oberfläche“ ging es um funktionelle Laminate sowie um Innovationen in der Beschichtungstechnologie (z. B. Drucken, Plasmabeschichtung, Strahlenhärtung), die zu immer kürzeren Prozesszeiten führen werden.

5. Innovationsworkshop Holzwerkstoffe 2015 Konrad Adenauer Saal

Raum für Begegnung: Interessante Gespräche in der Mittagspause

Konjunktur, Trends und Herausforderungen für Holzwerkstoffe

Traditionell nutzte der Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e.V. (VHI) den Innovationsworkshop Holzwerkstoffe zur interzum, um Bilanz zu ziehen und um Herausforderungen darzustellen.

Hubertus Flötotto (Sauerländer Spanplatten), Vorsitzender des VHI, charakterisierte die Rahmenbedingungen für die im VHI organisierten Werke als insgesamt recht erfreulich. Er verwies auf das sich weiterhin gut entwickelnde Konsumklima, den erneut verbesserten Geschäftsklimaindex, die seit 2009 ansteigenden Baugenehmigungen, den nach wie vor großen Sanierungs- und Renovierungsbedarf imGebäudebestand und die steigende Akzeptanz des Holzbaus.

Umsatzentwicklung der Holzwerkstoffbranche

Der Gesamtumsatz lag in jedem der zwölf Monate des Jahres 2014 über dem Vorjahreswert und erreichte am Ende 4,72 Mrd. Euro (plus 8 Prozent; Inland 6 Prozent / Ausland 12,4 Prozent). Im Januar und Februar 2015 wurden 785 Mio. Euro umgesetzt. Der Wert liegt damit -0,5 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Für das fast ausgeglichene Ergebnis haben die Auslandsumsätze mit einem Plus von 5,5 % beigetragen.

Umsatz HWI_kompr.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Erfreuliche Produktionsergebnisse 2014

Überwiegend erfreulich stellen sich auch die einzelnen Produktionsergebnisse des Jahres 2014 im Vergleich zu 2013 dar. Die Spanplatten konnten ihre Position halten, verschoben sich aber im beschichteten Angebot zu Ungunsten von HPL hin zu den Papieren. OSB bekam mit einem Minus von 8,8 Prozent den Importdruck aus den östlichen Nachbarländern zu spüren. MDF-Möbelplatten entwickelten sich vor allem roh positiv, genauso wie HDF für Türen und Möbel. Laminatböden gingen in einem gesättigten Markt mengenmäßig um 6,5 Prozent zurück, wobei der VHI diese Angabe des Statistischen Bundesamtes für seine Mitglieder nur bedingt bestätigen kann. Furnierplatten aus Laubholz und WPC schlossen 2014 mit moderaten Zuwächsen ab.

5. Innovationsworkshop Holzwerkstoffe 2015 Konrad Adenauer Saal

Dr. Steffen Körner (Glunz AG), Dr. Peter Sauerwein (VHI), Hubertus Flötotto (Sauerländer Spanplatten), Horst Walther (NATURinFORM), (v.l.n.r.)

Fachgruppe Innentüren: Renovierungsmarkt dominiert

Türblätter und -zargen gingen mit plus 3,3 bzw. 1,4 Prozent aus dem Jahr 2014. Über dieses Stückzahlenwachstum hinaus erfreut den VHI die Tatsache, dass die Wertigkeit der Türen angestiegen ist. Nach Erkenntnissen der Fachgruppe Innentüren im VHI nimmt die Differenzierung zwischen „Preiseinstieg“ und „Hochwertig“ zu. Im Trend liegen Weißlack sowie CPL in naturnahen Tönen und mit der Natur nachempfundenen Strukturen. Im dynamischen Renovierungsmarkt, der das Innentürengeschäft zu zwei Dritteln dominiert, erwarten die VHI-Mitglieder 2015 moderate Zuwächse. Den Erfolg sichert die Fachgruppe mit einem gemeinsamen Branchenmarketing ab, z. B. mit einem Marketingfilm über die Türentrends 2015 auf und der Überarbeitung des Internetauftritts der Initiative „Türen wechseln jetzt!“ (www.tuerenwechsel.de).

Fachgruppe Span- und Faserplatten: Waldumbau erzwingt Neuorientierung

Dr. Steffen Körner (Glunz AG), Vorsitzender der Fachgruppe Span- und Faserplatten, führte aus, dass die Reklassifizierung von Formaldehyd neue, teure Herausforderungen mit sich brächte und die Holzversorgung aufgrund der energetischen Konkurrenz weiterhin angespannt bleibe. Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur zeigen, dass durch die Baumartenveränderung (mehr Laubholz, Bäume zu alt und zu dick) neue technologische Anforderungen geschaffen werden. Für leichte Platten sei das schwere Laubholz nicht ideal, und OSB-Platten könne man aus Buche nicht fertigen. Um als Teil der Lösung mehr Recyclingholz nutzen zu können, hätten einzelne Unternehmen teilweise zweistellige Millionenbeträge in Aufbereitungsanlagen investiert.

Foto_DrKoerner_Floetotto_Walther_vlnr_Foto kompr.)

Die Teilnehmer des VHI-Pressegesprächs: Dr. Steffen Körner (Glunz AG), Hubertus Flötotto (Sauerländer Spanplatten), Horst Walther (NATURinFORM),  (v.l.n.r.)

Holz-Polymer-Werkstoffe: weiter auf geprüfte Qualität setzen

Der Vorsitzende der Fachgruppe Holz-Polymer-Werkstoffe, Horst Walther (NATURinFORM), informierte, dass der WPC-Markt insgesamt wachse und jede vierte Terrassendiele bereits aus WPC bestehe. Gleichzeitig nähmen die Importe aus Fernost zu; bei Terrassen lägen sie aktuell bei ca. 40 Prozent Marktanteil. Um sich von Billigimporten abzugrenzen, würden die Fachgruppenmitglieder weiterhin auf das Siegel der Qualitätsgemeinschaft Holzwerkstoffe setzen, das oberhalb der EU-Norm Maßstäbe im Verbraucherschutz setze, und für Sichtschutzzäune ein neues Qualitätssiegel erarbeiten. Schließlich stehe die Verbands-EPD vor dem Abschluss und man habe eine Produktnorm verabschiedet.

Politische Forderungen des VHI

Abschließend formulierte Dr. Sauerwein politische Forderungen des VHI: Die Landesbauordnungen sind holzfreundlicher zu gestalten. Die inzwischen allseits in der Politik geforderte Kaskadennutzung dürfe keine hohle Worthülse bleiben. Die CO2-Speicherung in Holzprodukten müsse im Emissionshandel positiv berücksichtigt werden. Für Naturprodukte müssten Ausnahmen im AgBB-Bewertungsschema gelten, denn was natürlich im Wald wachse, könne nicht mit künstlichen Produkten mit variabler „Rezeptur“ verglichen werden.